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Offenlandlebensräume

Seit dem Neolithikum (Jungsteinzeit, ca. 5.000 bis 2.000 v. Chr.) nahm der Mensch Einfluss auf seine Umgebung und veränderte durch die beginnende sesshafte Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht zunehmend die natürliche Pflanzendecke. Bis zum Mittelalter war der Wechsel von der Naturlandschaft zu unseren heutigen Kulturlandschaft weitestgehend vollzogen; durch die großflächige Umwandlung von Wald in Acker- und Weideland entstand eine strukturreiche halboffene bis offene Mischlandschaft mit einer hohen Diversität an Waldresten, Feldgehölzen und Krautsäumen. Durch eine steigende Lebensraumvielfalt als auch durch die Ausbreitung von Pflanzen im Rahmen der Wanderschäferei kam es bis zu dieser Zeit zu einer steigenden Vielfalt in der Flora Mitteleuropas. Offenlandlebensräume entstehen allerdings nicht nur durch Einwirken des Menschen. Natürlich kommen sie an bestimmten Sonderstandorten vor (z. B. flachgründige Felsbereiche sowie Fluss- und Meeresufer mit hoher natürlicher Dynamik) oder sie sind tierischen Ursprungs (z. B. Biberwiesen). Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch die Naturlandschaft keineswegs aus einer geschlossenen Walddecke bestand, sondern dass diese durch die Aktivität der großen Pflanzenfresser wie Wildpferd, Wisent und Auerochse aufgelichtet wurde und so ein veränderliches Mosaik aus allen denkbaren Entwicklungsstadien zwischen Wald und Offenland bestand. Da die großen Pflanzenfresser zum Großteil ausgestorben sind, fehlt heutzutage diese natürliche Störung in der Natur.

Durch extensive Mahd oder Beweidung genutzte Offenlandbiotope haben einen hohen naturschutzfachlichen Wert. Trockene Grünländer wie beispielsweise Sandrasen beherbergen eine Vielzahl seltener und spezialisierter Artengemeinschaften, in ihrer feuchten Ausprägung sind sie oftmals Rückzugsgebiete für Tiere und Pflanzen zerstörter Moore. Darüber hinaus sind sie Ersatzlebensräume geworden für Arten, die in den unter natürlichen Umständen hoch veränderlichen Auenbereichen vorkommen, in denen heutzutage allerdings durch flussbauliche Maßnahmen die lebensnotwendige Dynamik oftmals fehlt.

Diese besonderen Lebensräume sind allerdings gefährdet. Denn in den 1960er Jahren setzte in der Landwirtschaft ein Strukturwandel ein, im Zuge dessen eine traditionelle Bewirtschaftung der Grünlandbereiche durch extensive Mahd oder Beweidung zunehmend unrentabel wurde. Zahlreiche wertvolle Flächen wurden nicht mehr genutzt und verbuschten, so dass das typische Arteninventar verschwand. Weitere Flächen gingen durch Aufforstung, Überbauung und eine intensivierte Nutzung verloren.

Seit dem Inkrafttreten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) der Europäischen Union im Jahr 1992 sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die wärme- und lichtliebende Fauna und Flora des Offenlandes zu schützen. Die Landwirtschaft spielt hierbei eine Schlüsselrolle („Schutz durch Nutzung“), denn um dem Verlust der Offenlandarten entgegenzutreten, müssen die Flächen durch eine extensive Mahd oder Beweidung offengehalten werden, um so ein Zuwachsen zu verhindern.